Sardinien mit dem Fahrrad erkunden. Wer mit dem Rad kommt, entdeckt diese zauberhafte Insel Tritt für Tritt: Goldene Küstenstraßen, die sich wie Seidenschleifen an schroffe Klippen legen, stille Hochebenen, in denen nur der Wind Geschichten erzählt, und Dörfer, die wirken, als sei die Zeit hier nicht stehen geblieben, sondern einfach nie losgelaufen.
Wo Mallorca längst zum Trainingslager für den Breitensport geworden ist und die Toskana unter dem Gewicht der touristischen Erwartung ächzt, bleibt Sardinien ein unpolierter Edelstein. Die Wege sind oft schmal, der Asphalt nicht immer königlich, und der Busfahrplan gleicht eher einer mathematischen Hypothese als einem verlässlichen System. Doch gerade darin liegt der Zauber: Wer hier radelt, ist nicht einer von vielen – er ist ein Entdecker.
Inhalt des Artikels Radfahren auf Sardinien – Klick, um zum jeweiligen Abschnitt zu springen
- Beste Reisezeit für die Fahrradreise auf Sardinien
- Anreise mit dem Fahrrad – Fähre oder Flugzeug
- Die schönsten Routen
- Infrastruktur und Straßenverhältnisse
- Fahrradkarte von Sardinien
Sardinien – Ein Geheimtipp für Radfahrer
Sardinien mit dem Bike: Insel der Gegensätze
Sardinien ist eine Bühne der Kontraste. Wer morgens noch in der salzgetränkten Luft der Küste unterwegs war, kann am Nachmittag bereits auf einem schattigen Gebirgspass durch Steineichenwälder klettern, während Bussarde ihre Kreise ziehen. Im Norden thronen die Granitformationen der Gallura wie schlafende Titanen, im Osten fällt die Baronia dramatisch zum Meer ab. Dazwischen: Eine stille Weite, die der Seele Raum lässt.

Asphalt mit Charakter: Mit dem Fahrrad unterwegs
Die Straßen Sardiniens erzählen Geschichten. Sie sind keine klinisch glatten Pisten, sondern oft rau, eigenwillig, voller Persönlichkeit. Radwege im klassischen Sinne? Fehlanzeige. Doch wer sich daran nicht stört, erlebt Fahrten wie aus einer anderen Zeit – durch Landschaften, in denen der Verkehr zum Flüstern wird. Besonders im Landesinneren begegnet man stundenlang keinem Auto. Nur Schafe. Und gelegentlich einem Fiat Panda aus den Achtzigern.
Dorfleben und Dolce Vita: Radeln und Pausen
Die Dörfer Sardiniens sind keine Kulissen, sondern gelebte Geschichte. Auf der Piazza sitzen alte Männer, die das Weltgeschehen mit einem Nicken kommentieren. In der Bar gibt es Espresso, der stärker ist als die Steigungen zur Serra Ozzastru. Und wer mittags in einer Trattoria einkehrt, versteht schnell: Kulinarik ist hier keine Nebensache, sondern Teil des Lebensrhythmus. Pane carasau, Pecorino, Cannonau – wer radelt, darf auch genießen.
Beste Reisezeit und Klima für den Urlaub mit dem Rad
Sardinien lässt sich fast das ganze Jahr über beradeln – doch nicht jede Jahreszeit erzählt dieselbe Geschichte.
Frühling (März bis Juni)
Jetzt zeigt sich die Insel in ihrem schönsten Gewand. Die Macchia blüht, die Luft ist klar, und die Temperaturen bewegen sich angenehm zwischen 15 und 25 Grad. Ideal für lange Etappen durchs Inland oder Küstentouren mit Picknick im Schatten der Pinien.
Sommer (Juli und August)
Die Sonne brennt, das Thermometer steigt bis auf 40 Grad – wer jetzt radelt, sollte das Morgengrauen lieben. In den frühen Stunden sind die Straßen leer, die Luft salzig und mild. Spätestens ab 11 Uhr wird’s zur Pyrrhustour – wer clever ist, plant Siesta und Badepause ein.
Herbst (September bis November)
Noch einmal flackert der Sommer auf. Die Hitze weicht milder Wärme, das Meer bleibt badetauglich, die Weinernte duftet durchs Land, schwere Oliven hängen an den grün schimmernden Bäumen. Die Insel wird ruhiger, die Dörfer freundlicher – eine ideale Zeit für Genusstouren mit Muße.
Winter (Dezember bis Februar)
Zugegeben: Nicht die klassische Radreisezeit. Und doch hat der sardische Winter seine Reize – vor allem für jene, die dem Frost Mitteleuropas entfliehen wollen. Die Küste ist mild, das Licht weich, die Straßen leer. Wer Glück hat, erlebt sogar Frühling im Januar.

Anreise mit dem Fahrrad – zwischen Fähre, Flügeln und Faltkarton
Mit der Fähre: Die langsame Königin des Mittelmeers
Wer mit dem Rad nach Sardinien reist, tut gut daran, sich dem Rhythmus des Meeres anzuvertrauen. Die Fähre ist mehr als ein Verkehrsmittel – sie ist ein Übergangsritual. Vom italienischen Festland aus (Genua, Livorno, Civitavecchia, Piombino) oder dem französischen Süden (Toulon, Nizza) gleitet man in einer Nacht über das stille Wasser, während das Rad sicher im Bauch des Schiffes ruht und man selbst an Deck die salzige Luft des kommenden Abenteuers schnuppert.
Die wichtigsten Häfen auf Sardinien heißen Olbia, Porto Torres, Golfo Aranci, Arbatax und Cagliari – jedes ein eigenes Kapitel, ein Tor zu anderen Landschaften. Die Preise für eine einfache Deckpassage schwanken zwischen 50 und 100 Euro, je nach Saison und Startpunkt. Wer sein Fahrrad dabei hat, zahlt in der Regel nur ein paar Euro extra. Meist muss es bei der Buchung als separates „Fahrzeug“ angegeben werden – was skurril klingt, aber den Check-in erleichtert.
Als Fußpassagier mit Fahrrad an Bord zu gehen, ist völlig unproblematisch. Der Drahtesel rollt einfach mit – kein Aufheben, kein Stress. Nur ein Hinweis für die automobilen Radfahrer: Wer sein Rad auf einem Heckträger transportiert, verlängert unter Umständen das Fahrzeug – und mit ihm den Tarif.
Mit dem Flugzeug: Von Wolken, Vorschriften und Verpackungskunst
Für Eilige oder Weitgereiste bleibt der Griff zum Flugticket. Sardinien verfügt mit Olbia im Nordosten und Cagliari im Süden über zwei gut angebundene Flughäfen. Fast jede Airline ermöglicht den Transport von Fahrrädern – allerdings unter der Rubrik „Sportgepäck“, was mehr nach Ironman als nach Inselurlaub klingt.
Die Gebühren dafür liegen meist zwischen 45 und 100 Euro pro Strecke, abhängig von Airline und Laune der Buchungsmaske. Wichtig: Das Fahrrad muss ordentlich verpackt sein. Nicht etwa mit Schleife – sondern mit System. Eine Fahrradtasche, ein Hartschalenkoffer oder ein stabiler Karton sind Pflicht. Wer improvisiert, riskiert verbogene Schaltwerke und traurige Tourstarts.
Die wichtigsten Handgriffe: Pedale ab, Lenker quer, Luft raus. Dazu eine gute Portion Polstermaterial, gern auch ein Handtuch oder eine ausgediente Yogamatte. Denn was am Boden noch leichtfüßig wirkte, wird im Flugzeug schnell zum empfindlichen Sperrgut.
Bahnfahrt und Kombireisen: Die leise Alternative
Wem das Meer zu langsam, der Flug zu aufwendig ist, der kann auch auf die Kombination aus Bahn und Fähre setzen. Viele Hafenstädte – etwa Olbia oder Cagliari – sind per Zug erreichbar. Und auch auf Sardinien selbst ist die Fahrradmitnahme in Regionalzügen unkompliziert und günstig.
Besonders charmant: Wer als Radreisender zu Fuß auf die Fähre geht, spürt bereits in der Gangway das beginnende Abenteuer. Zwischen Bahngleis und Schiffsrumpf liegt dann nur noch ein kurzer Weg – und das Versprechen von Freiheit auf zwei Rädern.
Die schönsten Routen und Strecken – Sardinien erfahren, nicht nur bereisen
Küstenrouten: Wo das Meer den Weg begleitet
Wer das Meer liebt, wird Sardiniens Küstenstraßen verehren. Eine der eindrucksvollsten Routen beginnt in Olbia und schlängelt sich gen Süden über Orosei und Arbatax bis nach Cagliari. Diese Strecke ist kein Sonntagsspaziergang, sondern ein wogendes Band aus Steigungen, Serpentinen und grandiosen Panoramen. Immer wieder blitzen zwischen den Felsen einsame Strände auf, das Tyrrhenische Meer funkelt wie ein aufgeschlagenes Juwel, und der Asphalt trägt den Duft von Pinien und Salz.
Für jene mit Ausdauer und Abenteuerlust empfiehlt sich die vollständige Umrundung der Insel – ein heroischer Kreis von etwa 835 Kilometern und mehr als 9.000 Höhenmetern. Die Highlights dieser epischen Rundfahrt lesen sich wie das Inhaltsverzeichnis eines Reiseepos: Capo Testa, Stintino, Alghero, Bosa, Oristano, Cagliari, Villasimius, Costa Rei – ein Katalog der Vielfalt.
Umfangreich dokumentiert und mit GPS-Track findet Ihr die Route Rund um die Insel hier: https://www.biroto.eu/de/radweg/italien/rund-um-sardinien/rt00002919
Ein kurzes, aber filmreifes Teilstück ist die Panoramastraße von Bosa nach Alghero. 45 Kilometer purer Küstenrausch – Felsen, Wind, Meer. Wer dort unterwegs ist, weiß, dass Radfahren auch eine Form von Poesie sein kann.
Bergregionen: Die stille Majestät des Landesinneren
Wer sich in die Berge wagt, betritt eine andere Welt. Das Gennargentu-Massiv erhebt sich wie ein altes Rückgrat in der Mitte der Insel, rau, herb und majestätisch. Hier, wo Sardinien am höchsten ist, begegnet man weniger Menschen als Adlern. Die Straßen schlängeln sich durch Orte wie Fonni, Desulo oder Baunei, die klingen wie Gedichte aus einer anderen Sprache – und manchmal auch so wirken.
Im Süden wartet der urwüchsige Zauber der Monti del Sulcis. Im Naturschutzgebiet Monte Arcosu führen kleine Straßen und Pfade durch tiefgrüne Wälder, in denen Wildschweine und Mufflons zu Hause sind. Es ist eine stille Welt, voller Moos und Schatten, in der das Radeln zur meditativen Bewegung wird.
Auch Monte Limbara im Norden oder das Massiv von Montiferru im Westen locken mit herausfordernden Höhenmetern, karger Schönheit und Einsamkeit – für jene, die das Abenteuer nicht suchen, sondern herausfordern.
MTB-Strecken: Auf alten Pfaden ins wilde Herz der Insel
Sardinien ist ein Paradies für Mountainbiker – nicht trotz, sondern wegen seiner Wildheit. In der Gallura führen Trails durch Granitlabyrinthe, in der Baronia verlaufen sie entlang alter Hirtenwege, die wie Adern in die Hügel geschlagen sind. Die Wälder von Monte Arcosu laden ein zu Touren, bei denen das GPS mehr Vertrauter als Werkzeug ist.
Besonders lohnend: Die Montiferru-Runde. 61 Kilometer Schotter, Wald und Herausforderung, garniert mit 1.068 Höhenmetern. Oder Touren ab Orosei ins Inselinnere, wo man auf verfallene Schafställe, blühende Macchia und absolute Stille trifft. Wer hier unterwegs ist, lernt Demut – und die Kunst, eine Linie im Geröll zu halten.
MTB-Führer listen bis zu 77 Strecken – genug Material für mehrere Reisen oder ein ganzes Jahr der Entdeckungen.

GPX-Tipps & Tourenplanung: Wenn Technik zum Kompass wird
Für die digitale Planung der analogen Reise empfiehlt sich der Griff zu bewährten Helfern: Komoot, Strava, Bikemap und Naviki bieten GPX-Tracks, Tourenvorschläge, Erfahrungsberichte und Bewertungen. Besonders Komoot glänzt durch seine Community und die Kombination aus Kartengenauigkeit und lokaler Expertise. Strava liefert Performance-Daten für Ambitionierte, Naviki überzeugt durch clevere Planung und Dokumentation.
Empfehlung: Die beste Fahrradroute für eine Woche – Olbia bis Cagliari entlang der Ostküste
Eine Woche, ein Weg, unvergessliche Eindrücke
Wer Sardinien in einer Woche mit dem Fahrrad entdecken will, sollte nicht versuchen, die ganze Insel zu umarmen – sondern sich für ihre spektakulärste Seite entscheiden: die Ostküste. Die Route von Olbia über Orosei und Arbatax bis nach Cagliari ist eine Liebeserklärung an Landschaft und Bewegung, an das Meer, die Berge und den Mythos des Unterwegsseins.
Fakten zur Fahrradroute
- Gesamtdistanz: ca. 350 km
- Etappenanzahl: 6–7 Tagesetappen à 50–70 km
- Höhenmeter: ca. 4.000–5.000 hm (je nach Variante)
- Schwierigkeitsgrad: Mittel bis ambitioniert
Diese Strecke folgt dem natürlichen Atem der Insel – zwischen der steilen, zerklüfteten Kalksteinküste des Golfo di Orosei und den weichen, mediterranen Farben der Hauptstadt Cagliari. Sie verbindet Küstenblicke von epischer Schönheit mit Ausflügen in das urtümliche Hinterland: Dörfer wie Siniscola oder Baunei, in denen das Leben nach dem Takt der Glocken und des Windes funktioniert.
Highlights entlang des Weges – Mit dem Rad die Ostküste entlang
- Golfo di Orosei: Türkisblaues Wasser, versteckte Buchten, schroffe Felsen
- Gennargentu-Gebirge (optional): Für Gipfelstürmer und Weitblick-Sucher
- Ogliastra-Region: Sardinien in seiner wildesten, unberührtesten Form
- Arbatax: Rote Felsen im Meer, ein Hafen wie aus einem Film
- Cagliari: Eine Hauptstadt mit Charme, Geschichte und Café-Kultur
Warum gerade diese Route mit dem Fahrrad?
Diese Ostküstenroute ist mehr als nur ein schöner Weg – sie ist ein sinnliches Erlebnis. Sie führt durch eine Landschaft, die atmet und spricht, durch Stille und Gastfreundschaft, durch Anstrengung und Belohnung. Die Etappenlängen sind so gewählt, dass Raum bleibt: für Umwege, Badepausen, Espresso in der Dorfbar und spontane Begegnungen.
Ob Rennrad, Tourenrad oder Mountainbike – mit kleinen Varianten ist die Strecke für alle Radtypen geeignet. Und das Beste: Unterkunft und Verpflegung sind unterwegs nie weit. Wer will, kann luxuriös nächtigen. Wer lieber unter Sternen schläft, findet einfache Herbergen, Campingplätze oder Zimmer mit Blick aufs Meer.
Tipps zur Planung der Radtour
- GPX-Tracks: Zu finden auf Komoot, Strava oder Naviki unter „Sardinien Ostküste“ oder „Olbia–Cagliari“. Einfach laden, anpassen, losfahren.
- An- und Abreise: Olbia und Cagliari sind per Fähre und Flug gut erreichbar.
- Rücktransfer: Wer den Bogen nicht zurückradeln will, fährt bequem mit dem Zug (ca. 3,5 Stunden) oder Fernbus zurück nach Olbia.
- Beste Reisezeit: Frühling (März bis Juni) oder Herbst (September bis Oktober). Angenehme Temperaturen, wenig Verkehr, viel Licht.
Etappenbeispiele für die Route Olbia – Cagliari mit dem Rad
- Olbia – Siniscola (ca. 60 km): Warmlaufen zwischen Kiefern und Meer
- Siniscola – Orosei (ca. 45 km): Die Küste rückt näher, das Blau intensiver
- Orosei – Santa Maria Navarrese (ca. 70 km): Ein bergiger Tanz über das Karstland
- Santa Maria Navarrese – Arbatax (ca. 20 km): Kurze Etappe, große Wirkung – Zeit für Meer und Muscheln
- Arbatax – Muravera (ca. 65 km): Durch die wilde Ogliastra, auf alten Straßen
- Muravera – Cagliari (ca. 65–70 km): Letzte Etappe, letzter Anstieg, Applaus
Umfangreich dokumentiert und mit GPS-Track findet Ihr die Route hier – als Teil des kompletten Rundwegs um die Insel: https://www.biroto.eu/de/radweg/italien/rund-um-sardinien/rt00002919
Infrastruktur und Straßenverhältnisse – Zwischen Asphaltband und Schotterpfad
Straßenqualität und Radwege: Sardiniens zweirädrige Bühne
Sardinien bietet ein gut ausgebautes Straßennetz, das vielerorts wie gemacht scheint für das rhythmische Rollen schmaler Reifen. Die Hauptverbindungen – etwa jene entlang der Küste – sind oft in hervorragendem Zustand, gleichmäßig asphaltiert und mit großzügigen Fahrbahnrändern versehen. Doch das wahre Herz des Radreisens schlägt auf den Nebenstraßen: Sie sind schmaler, oft gewundener, aber auch stiller – als hätte die Zeit sie vergessen.
Radwege im klassischen Sinn sind seltene Erscheinungen, vor allem in Städten oder an touristisch erschlossenen Küstenabschnitten. Zwar wirbt Sardinien mit über 2.600 Kilometern ausgewiesener Radrouten, doch deren Qualität ist so vielfältig wie das Inselrelief selbst: mal perfekt asphaltiert und beschildert, mal kaum mehr als eine Idee aus Schotter und Sonne. Wer sich ins Hinterland wagt, sollte besser mit Gravelbike oder Mountainbike unterwegs sein – oder mit einer gewissen Lust am Ungeplanten.
Die offizielle Dokumentation aller Fahrradrouten und Abschnitte auf Sardinien findet Ihr hier bei Sardegna Ciclabile: https://www.sardegnaciclabile.it/gli-itinerari/
Sicherheit und Straßenverkehr: Freundlichkeit mit Einschränkung
Im Landesinneren sind Autofahrer meist freundlich, fahren langsam und überholen mit großzügigem Abstand – so als wüssten sie, dass auf zwei Rädern mehr Mensch als Maschine unterwegs ist. Doch auf den größeren Verbindungsstraßen wie der SS 125 oder der SS 131 wird der Ton rauer: Enge Leitplanken, schlechte Sicht, hoher Verkehr – hier ist Aufmerksamkeit Pflicht, besonders in der Hochsaison oder zu Stoßzeiten. Die genannten Hauptstraßen gelten als gefährlich – vermeiden Sie diese bei der Routenplanung daher soweit möglich.
Das bedeutet nicht, dass Sardinien unsicher wäre. Im Gegenteil: Wer seine Route mit Umsicht wählt, wird meist mit ruhigen Strecken, schöner Linienführung und entspannter Atmosphäre belohnt. Der Inselrhythmus lässt sich eben nicht erzwingen – man muss sich ihm anpassen.
Übernachten und Essen unterwegs – Schlafen unter Sternen, speisen mit Seele
Von Zeltplatz bis Zimmer mit Aussicht
Für Radreisende ist Sardinien ein gastliches Land. Entlang der Küste reihen sich Campingplätze wie Perlen an einer Kette – oft direkt am Meer gelegen, mit einfachem Komfort, viel Schatten und einem Hauch von Freiheit. Wer lieber ein festes Dach über dem Kopf hat, findet in den Städten und Dörfern Pensionen, Hotels oder familiengeführte Unterkünfte in jeder Preisklasse.
Besonders charmant: Die Agriturismi, jene ländlichen Gästehäuser, in denen man nicht nur nächtigt, sondern auch schmeckt. Sie bieten Einblick ins sardische Landleben, servieren selbstgemachten Wein, Olivenöl, Käse – und manchmal Geschichten, die mehr wert sind als jede Sternebewertung.
Einkehr und Versorgung: Zwischen Bar, Brunnen und Bruschetta
Sardinien ist kein Land der Tankstellensandwiches. Wer einkehrt, wird belohnt – mit handgemachten Teigtaschen, duftendem Brot, kräftigem Käse, Oliven und Hauswein. In fast jedem Ort gibt es kleine Bars, Cafés oder Restaurants. Wichtig zu wissen: Viele Lokale schließen am Nachmittag oder öffnen erst spät am Abend. Deshalb: Besser vormittags frühstücken, mittags einkehren und für den Notfall ein Brot in der Trikottasche haben.
Wasserstellen – die kleinen Helden jeder Tour – findet man auf vielen Dorfplätzen, oft bei Kirchen oder alten Brunnen. Wer ins Hinterland fährt, sollte den Wasservorrat ernst nehmen. Denn Durst, so sagt man auf Sardinien, beginnt nicht im Hals – sondern im Kopf.
Kulinarische Etappenfreuden
Die sardische Küche ist ein Fest für Radfahrer: Pane Carasau als knuspriger Begleiter, Pecorino Sardo mit kräftigem Aroma, Culurgiones mit Kartoffel-Minz-Füllung, dazu ein Glas Cannonau – ein Wein, der auch müde Beine wieder stolz macht. Süßes wie Sebadas (gefüllte Teigtaschen mit Honig) oder Amaretti runden das Tageswerk würdig ab.
Praktische Tipps für den Radurlaub auf Sardinien – Ausrüstung, Orientierung, Improvisation
Welches Rad? – Die Sache mit dem richtigen Untersatz
Sardinien ist keine Insel für halbe Sachen. Wer hier radelt, sollte sein Gefährt mit Bedacht wählen. Rennräder sind ideal für die gut ausgebauten Küsten- und Landstraßen, die sich in sanften Kurven oder giftigen Rampen durch die Landschaft winden. Gravelbikes bieten den besten Kompromiss für alle, die sich nicht zwischen Asphalt und Schotter entscheiden wollen. Und wer ins wilde Herz der Insel aufbrechen will – auf Hirtenpfaden, Naturtrails oder verfallenen Römerstraßen –, kommt mit dem Mountainbike am weitesten.
Ein Trekkingrad tut ebenfalls gute Dienste, vor allem auf Touren mit Gepäck und Genussfaktor. Entscheidend ist weniger die Marke als die Bereitschaft, es mit der Landschaft aufzunehmen.
Packliste & Gepäcktransport – Minimalismus mit Sinn
Wer radelt, lernt: Jedes Gramm zählt – und doch braucht man das Richtige zur richtigen Zeit. Unverzichtbar sind:
- Ersatzschlauch, Multitool, Flickzeug
- Warme Kleidung für Bergabfahrten
- Regenschutz (das Wetter bleibt launisch, auch im Süden)
- Sonnencreme, Mütze, Wasserflaschen
- Powerbank, Stirnlampe, Taschentücher (für’s Klopapier-Äquivalent am Waldrand)
Gepäcktaschen vorn und hinten bringen Stabilität. Bikepacking-Setups sind eleganter, aber weniger geräumig. Wer Gepäck transportieren lassen möchte, findet bei einigen Unterkünften oder Reiseveranstaltern Angebote – doch Autarkie bleibt der schönste Luxus.
Navigation und Stromversorgung – Orientierung im Offline-Land
Apps wie Komoot, Naviki, Bikemap oder auch Strava sind Gold wert – vorausgesetzt, man lädt sich Karten vorher offline aufs Handy. Der Mobilfunk ist auf Sardinien oft lückenhaft wie ein Sommerfeld nach der Ernte. GPS-Geräte sind hilfreich, wenn man Akku sparen will.
Strom gibt’s meist abends, selten unterwegs. Wer wild zeltet oder autark reist, sollte über ein kleines Solarpanel oder Powerbank nachdenken – nicht nur für das Smartphone, sondern auch für Licht, Navi oder E-Reader.
Doch der Griff zur Bezahl-App ist gar nicht unbedingt nötig: Die Apps greifen zumeist auf die Daten von OpenStreetMap zurück, die sich auch gratis abrufen lassen!
Fahrradkarte: Die Radwege auf Sardinien
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Ersatzteile & Reparaturmöglichkeiten – Vertrauen ist gut, Flickzeug ist besser
Fahrradläden gibt es – aber sie liegen meist in den Städten. In kleineren Orten hilft Improvisation oder ein freundlicher Einheimischer mit Ölkanne. Ersatzteile sollten zumindest in Grundform dabei sein: Kette, Bremsbeläge, Bowdenzüge – Sardinien ist kein Radtechnik-Paradies.
Ein Multitool kann in der Bar ebenso nützlich sein wie auf dem Pass – vor allem, wenn der Flaschenhalter beim Espresso-Verdrehen klemmt.
Persönliche Erfahrungen & Anekdoten – Sardinien, wie es wirklich war
Die Nacht mit den Eseln
In den Bergen südlich von Baunei schlugen wir das Zelt am Rand eines Feldes auf. Die Sonne war längst hinter den Felsen verschwunden, der Wind trug den Duft von Wacholder und Thymian. Gegen Mitternacht hörten wir ein leises Schnauben – dann standen drei neugierige Esel neben unseren Rädern. Sie blieben bis zum Morgen. Einer versuchte, den Helm zu fressen. Der andere leckte am Lenkerband. Wir lachten – und beschlossen, nie wieder ohne Kamera zu schlafen.
Die Sache mit der SS125
Wer die legendäre SS125 fährt, weiß: Diese Straße ist ein Mythos. Kurve auf Kurve, Steigung auf Steigung – und dann der Blick auf das Tyrrhenische Meer, das sich plötzlich unter den Reifen ausbreitet. Wir fuhren sie an einem Dienstag im Mai. Kein Verkehr, nur Wind, Sonne, Stille. In einer Kurve stand ein alter Mann, der uns stumm zunickte, als wüsste er, was wir fühlten.
Der Café-Besitzer in Siniscola
Wir wollten nur einen Espresso. Er servierte vier, dann Pasteten, dann zwei Gläser Mirto. Als wir zahlen wollten, winkte er ab: „Avete portato il vento buono.“ Ihr habt den guten Wind gebracht. Es war einer dieser Sätze, die man nie vergisst – nicht wegen ihrer Poesie, sondern weil sie genau in dem Moment fielen, in dem man sie brauchte.
Lohnt sich ein Radurlaub auf Sardinien?
Für wen ist Sardinien gemacht?
Für Abenteurer mit Sinn für Komfort, für Genussradler mit Hang zur Landschaft, für Sportliche mit Blick für das Schöne – kurz: für alle, die Radreisen nicht als reine Fortbewegung verstehen, sondern als eine Kunstform.
Sardinien bietet eine seltene Kombination: raue Natur und feine Küche, bergige Herausforderungen und stille Strände, geschwätzige Einheimische und schweigende Landschaften. Die Wege sind nicht immer leicht, aber sie sind lohnend.